Cannstatter Volksfestzeitung 2025

Bevor sich auf demWasen die Gondeln drehen und die Achterbahnen in die Kurven schießen, ist Präzision gefragt. TÜV-Ingenieur Erwin Bernhard und sein Team prüfen jedes Fahrgeschäft auf Herz und Hydraulik. Ihr Job ist nichts für Leute mit Höhenangst – und manchmal gefährlicher als eine Fahrt mit der XXL-Krake. Das hier ist der gründlichste TÜV. Hier herrscht ein sehr hohes Sicherheitsniveau“, beschreibt Max Müller, der auf dem Cannstatter Volksfest das Fahrgeschäft „XXL Krake“ betreut, die Arbeit der TÜV-Prüferinnen und -prüfer. Müller muss es wissen. Der Schausteller ist bundesweit auf den Festplätzen vertreten. Erwin Bernhard nickt dabei zufrieden. Der Diplom-Ingenieur und studierte Maschinenbauer ist seit 1990 beim TÜV Süd. Bereits seit den 1970er-Jahren nimmt das Unternehmen die Fahrgeschäfte auf dem Cannstatter Wasen unter die Lupe. Die sogenannte Verlängerungsprüfung wird bei großen Achterbahnen jährlich, bei Autoscootern alle zwei und bei Kinderfahrgeschäften alle drei bis vier Jahre durchgeführt – „je nach Komplexität“, erklärt Bernhard. Alles wird dabei genau kontrolliert. Vor Beginn eines Volksfestes werden die Fahrgeschäfte von den zuständigen Baurechtsämtern zudem einer Gebrauchsabnahme unterzogen. „Es ist auch im Eigeninteresse der Schausteller, dass alles funktioniert und sicher ist.“ International im Einsatz – mit schwäbischer Gründlichkeit Der TÜV Süd prüft Fahrgeschäfte nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Der Hauptsitz befindet sich in München, eine große Niederlassung – und auch das Büro von Erwin Bernhard – in Filderstadt. Vor dem Cannstatter Volksfest war sein Team, bestehend aus bis zu acht Fachleuten (Maschinenbauer, Bau- und Elektroingenieure), beimAufbau des Münchner Oktoberfests im Einsatz. „Da leisten wir Entwicklungshilfe“, sagt Bernhard augenzwinkernd. Die Prüftermine mit den Schaustellern zu koordinieren, sei wie ein Puzzlespiel. Viele reisen direkt von anderen Festplätzen an – zu unterschiedlichen Zeiten. Bis einen Tag vor Festbeginn, dem traditionellen Fassanstich am Freitag, muss alles geprüft sein. „Es kommt aber auch vor, dass wir noch am Freitag im Einsatz sind, bevor der Festplatz öffnet.“ Dann sind meist alle acht Prüfer vor Ort. Trotz Zeitdruck zählt Genauigkeit – schließlich geht es um die Sicherheit der Wasengäste. Von Beschleunigung bis Untergrund Jetzt steht Bernhard am Fahrgeschäft „XXL Krake“ von Max Müller. „Allein drei Mal im Jahr werde ich vom TÜV Süd geprüft – auf dem Stuttgarter Frühlingsfest, in Vaihingen/Enz und auf dem Cannstatter Volksfest.“ Bei einer Probefahrt wird gemessen, ob Beschleunigung und Überdrehzahl stimmen. Danach folgt die Prüfung der Bügelvorrichtung: Rastet sie korrekt ein? Auch der Untergrund wird kontrolliert – die sogenannte Unterpallung. Stimmen Größe und Anzahl der Unterlegplatten für einen sicheren Stand? Es folgen elektronische Sicherheitstests sowie statische Kontrollen: Liegt eine Überlastung vor? Gab es durch unsachgemäße Beschleunigung einen Maschinenbruch? „Je schneller gefahren wird, desto eher entstehen Schäden“, weiß der Berliner Müller, der zusätzlich zwei Berg- und Talbahnen betreibt. Auch die Schalter werden getestet: Funktionieren sie zuverlässig? Besteht Rutschgefahr beim Ein- oder Aussteigen? „Beim Aussteigen droht am ehesten Gefahr“, erklärt Müller. Etwa durch Umknicken oder Verdrehen, weil die Fahrgäste nach der Fahrt in der „XXL Krake“ noch ganz „berauscht“ sind. Digitale Technik als Herausforderung Digitale Technik ist auch auf dem Festplatz allgegenwärtig. „Fluch und Segen zugleich“, meint Müller, während Bernhard die Prüfung abschließt. „Früher, als noch alles analog war, konnte jeder Elektriker helfen – auch amWochenende.“ Heute sei das deutlich komplizierter. Bernhard gibt mit einem Daumen nach oben das Okay. Weiter Cannstatter Volksfestzeitung 2025 23

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